An einem warmen Mai-Abend trafen sich die Mitglieder des Schaffhauser Architekturforums im Steinbruch der Frei Thayngen AG. Im Rahmen der Generalversammlung und dem in Fachkreisen aktuellen Thema des zirkulären Bauens referierte Geschäftsleiter Andres Frei über sein Verständnis der Kreislaufwirtschaft hinsichtlich Rückbau, Aufbereitung und Recycling von Kies und Beton oder ausgebautem Strassenmaterial. Den Bogen hin zur Wiederverwendung von Bauteilen für den Gebäudesektor schlug Marc Angst vom Baubüro in situ.
Text: Alex Zahler
Bilder: Pierre Néma, Alex Zahler
Fand man an diesem sonnigen Abend den Weg durch das Areal bis nach unten zum Steinbruch, knirschten unter den Füssen die Kieselsteine und der Geruch von feuchtem, steinigem Staub stieg empor. Lange wurde auf diesem Areal Zement hergestellt, bis das Zementwerk des Holcim-Konzerns 2003 schliessen musste. Rohmaterial für die Zementherstellung ist unter anderem Kalk, welcher in eben diesem Steinbruch abgebaut wurde.
Heute wird in diesem Steinbruch primär Material umgeschlagen, gesiebt, getrennt und gewaschen. Zwischen riesigen Maschinen aus Stahl und Förderbändern türmen sich Berge aus Kies und Regale voller Baumaterialien. Kalk wird von der Frei Thayngen AG nur noch für den Eigengebrauch abgebaut. Hauptmaterial für diverse Arbeiten bildet der Kies. So wird dieser für die Betonherstellung, Asphaltbeläge, Flur und Waldstrassen oder für andere Arbeiten rund um den Gartenbau verwendet. Nach Meinung von Andres Frei soll sogenanntes «primär Material», sprich neu abgebautes Material, in Zukunft nicht mehr erste Wahl sein. Einerseits steht dieses frisch abgebaute Material immer seltener zur Verfügung und wird stetig knapper, andererseits ist Kies ein hervorragender Trinkwasserfilter, den es zu bewahren gilt. Andres Frei versucht deshalb, den Gedanken des Re-Use von einzelnen Bauteilen auf das Rohmaterial anzuwenden. So versucht er, minderwertiges Material, welches bereits einmal verbaut wurde, wiederherzustellen und aufzuwerten. Wie so vieles andere ist auch Kies genormt und muss gewissen Güteklassen entsprechen. Die Herausforderung beim Recycling ist deshalb, nachweisen zu können, dass das Produkt am Ende wieder neuwertig einsetzbar ist. Bei herausgebrochenen Asphaltbelägen scheint es besonders schwierig, die Mischgutanforderungen erfüllen zu können. Trotz aller Schwierigkeiten hilft das Recycling zur Verringerung der Umweltbelastung durch die Abfallwirtschaft und zur Schonung von Ressourcen.
↑ Andres Frei und Marc Angst plädieren für zirkuläres Bauen.
Marc Angst vom Baubüro in situ ist Wiederverwendungsexperte und mit Andres Frei einig, dass zirkuläres Bauen ein Ansatz ist, der darauf abzielt, Gebäude so zu entwerfen und zu bauen, dass sie so lange wie möglich im Einsatz bleiben und ihre Ressourcen möglichst umfassend zurückgebaut und wiederverwendet werden können. Was Andres Frei mit Materialien im Bereich Tiefbau praktiziert, macht Marc Angst mit ganzen Bauteilen im Bereich Hochbau. Im Gegensatz zu Kies, welches im Laufe seines Bestehens in verschiedene Baumaterialien transformiert werden kann, bleibt für Marc Angst ein Blech ein Blech und ein Stahlträger ein Stahlträger. Auch wenn ein Randstein ein Türsturz sein könnte, fehlt die Rechtfertigung, diesen als Sturz zu verwenden und noch viel mehr der Nachweis des Ingenieurs, dass er statisch dazu in der Lage ist. Man stelle sich nun ein Lager voller gebrauchter Stahlträger aus einem Abrissobjekt vor, die neu verbaut werden sollen. Die für Marc Angst sogenannten «Bedenkenträger» müssen ein aufwendiges Prozedere zur Zertifizierung durchlaufen, damit am Schluss alle mit gutem Gewissen sagen können: Ja, der Träger hält noch. Das Verhältnis zwischen Architekt:in und Bauingenieur:in ist für den Experten deshalb von grosser Wichtigkeit. Ohne gegenseitiges Verständnis und Vertrauen wären viele Projekte nur schwer umsetzbar.
Neben der Bauteilwiederverwendung gibt es jedoch auch noch andere Ansätze, wie nachhaltig gebaut werden kann:
- Refuse – Weglassen, was nicht notwendig ist.
- Reduce – Nur so viel bauen, was benötigt wird.
- Use – Verwenden, was schon da ist.
- Repair – Reparieren, was repariert werden kann.
- Und eben Reuse – wiederverwenden, was gebraucht werden kann.
Um nachhaltig denken, entwerfen, planen und umsetzen zu können, braucht es auch eine abrufbare Logistik der Materialbewirtschaftung. Geschlossene Kreisläufe funktionieren erst, wenn verbaute Materialien nicht mehr vernichtet, sondern wie aus einer «Mine» ausgebeutet, regional erfasst, aufbereitet, katalogisiert und zur Wiederverwendung abruf- und planbar zwischengelagert werden können. Bisherige Abbruchunternehmen mutieren zu zukunftsfähigen Recycling- und Bauteil-Hubs, in denen nebst funktionalen Platzverhätnissen die digitalisierte Bewirtschaftung mit entsprechendem Zeitfaktor eine hohe Priorität bekommt. Bis Planer:innen von Architektur zukünftig – ähnlich der bisherigen Materialienangeboten – ebenso direkt auf Kataloge von Bauteil-Wiederverwendung zugreifen können, benötigt es nebst dem Ausbau der Logistik auch die Änderung bisheriger Vorstellungen von Auftraggeber:innen und Kund:innen, das heisst, eine Bereitschaft zur Weiterverwendung von Gebrauchtem und qualitätsvoll Aufgewertetem.
Enden tun wir diesen Beitrag mit einem Zitat von Marc Angst, welches in der heutigen Zeit angebrachter ist den je: «Wenn etwas Gebrauchtes gleich viel kostet wie etwas Neues, nehmen wir immer das Gebrauchte.»
Weiterführende Inhalte:
→ Ein gutes Beispiel und einen detaillierten Beschrieb, wie das Architekturbüro Weber Brunner die Schulanlage Hellwies in Volketswil nachhaltig weitergebaut hat, erhalten Sie hier: Umbau und Erweiterung Schulanlage Hellwies Volketswil
→ Der Bericht zum «Re-Use-Hub» im Güterbahnhof mit diversen Studentenarbeiten über eine mögliche Umnutzung der 400 Meter langen Güterhalle.
→ Weitere Impressionen des Abends finden Sie im Bericht zur Generalversammlung 2023.