Auf der Suche nach dem Grundstein für eine massgeschneiderte Altstadtplanung.
Am Freitag, 28. Juni 2019, an einem heissen Sommertag empfangen VertreterInnen der Verwaltung der beiden Aargauer Städte Brugg und Zofingen eine Gruppe Altstadtinteressierter aus Schaffhausen. Dem SCHARF Vorstand haben sich folgende Gäste angeschlossen: Ernst Gründler (Präsident Pro City Schaffhausen), Simon Sepan (Mitglied der Partei AL und Grossstadtrat), und Lukas Wallimann (Denkmalpflege Schaffhausen). Als Mitglieder der IG Aargauer Altstädte und Pilotstädte in der Entwicklung des konfektionierten Altstadtprozesses sind Brugg und Zofingen spannende Erfahrungsträger in einem Planungsgebiet, welches in Schaffhausen bereits ein viel gekochtes Thema darstellt. Mit SCHARFem Blick begeben wir uns gemeinsam auf die Suche nach dem Grundstein einer massgeschneiderten Altstadtplanung.
Carole Signer (Text), Pierre Néma (Bilder)
Im Jahr 2015 hat sich unter Peter C. Beyeler im Kanton Aargau ein Verein (IG Aargauer Altstädte) gegründet. Mit dem Ziel, die gemeinsame Planung einer spezifischen Förderung und Stärkungder Altstädte an die Hand zu nehmen, sind dreizehn Aargauer Altstädte als Mitglieder dazugekommen. Die IG unterstützt die Verwaltung der Aargauer Gemeinden, einen transparenten Prozess anzustossen, mit welchem die Städte schnell, pragmatisch und kostengünstig eine auf sie zugeschnittene, rollende Entwicklungsstrategie erarbeiten und griffige Massnahmen definieren können.
In einem konfektionierten Prozess werden die erarbeiteten Strategien in zwei Pilotstädten (Brugg und Zofingen) angewendet und umgesetzt. Bestehende Planungsgrundlagen werden in den weiteren Prozess aufgenommen, bereits vorhandene Erkenntnisse sollen einfliessen und beachtet werden. Durch die rollende Planung kann situativ reagiert und angestossene Planungen auf den richtigen Weg gelenkt werden. Das Vademecum sammelt häufig gestellte Fragen zur Altstadtentwicklung und dient damit dem Austausch untereinander.
Sowie in Brugg als auch in Zofingen war schnell klar, der Lead soll bei der Stadtverwaltung sein, die Gesamtverantwortung bei der Stadtexekutive. Idealerweise verfolgt ein Stadtkümmerer die Veränderungen und ist Ansprechperson für Gewerbetreibende, Liegenschaftsbesitzer und Bewohner.
Brugg und Zofingen haben den Grundstein der Altstadtplanung in einem gut verankerten Prozess in der eigenen Stadt gefunden, eingebettet in ein Netzwerk für den Austausch mit anderen Städten.
Link Aargauer Altstädte Sammlung von Nachschlagerwerken zum konfektionierten Prozess
Brugg – Die pragmatische Umsetzung
In Brugg kümmern sich Bigna Lüthy (Stadtplanerin Brugg) und Elsbeth Hofmänner (Leiterin Baupolizei) gemeinsam um die Altstadtplanung. Brugg hat bald 12’500, 660 Betriebe und 7700 Voll- und Teilzeitbeschäftigte. Die Altstadt liegt direkt an der reissenden Aare und schliesst – anders als in Schaffhausen – nicht direkt an den Bahnhof an. Eine noch bevorstehende Aufgabe für Brugg ist die Anbindung der Altstadt an das Bahnhofsgebiet.
Auf der Begehung durch die Altstadt fällt auf, Leerstände von Erdgeschoss Liegenschaften werden gefüllt mit privaten KITAS und scheinen auf den ersten Blick kein Problem zu sein. Der Durchgangsverkehr ist durch Einbahnverkehr und Kurzdauerparkplätze gelöst. Das Städtchen ist begrünt und bepflanzt, dies durch die explizite Aufforderung, vor der Haustüre Bänke, Tischchen und Blumentöpfe zu stellen. Wir schlenderten über den Platz beim Salzhaus. Als eine aus dem konfektionierten Prozess hervorgegangene Massnahme sollen auf diesem Platz Sitzstufen gebaut werden, welche eine Begegnungszone schaffen würde. Aus einem Altstadtfonds werden diverse Sanierungs- und Bauprojekte in der Altstadt unterstützt.
Der konfektionierte Prozess soll in Brugg unterstützen, dass die Resultate der Mitwirkungsprozesse nicht mehr in der Schublade landen. Wir lernen vor Ort diesen Prozess genauer kennen. Brugg hat bereits die erste Phase des konfektionierten Prozesses durchlaufen. Der gesamte Prozess in Brugg wird von externen Fachplanern begleitet. Als Grundstein der Altstadtplanung ist für Brugg die Definition und Verankerung des Prozesses zentral. Der konfektionierte Prozess definiert verschiedene beteiligte Gremien als Austauschplattform auf unterschiedlichen Stufen von der Bevölkerung bis zum Stadtparlament. Diese gewährleisten einen strukturierten Austausch mit den VertreterInnen der Altstadtinteressen und stützt gleichzeitig die politische Umsetzung ab. Dieses Vorgehen haben die 13 Aargauer Altstädte gemeinsam entwickelt. Für die massgeschneiderte Umsetzung und Verankerung in den eigenen Stadtstrukturen braucht jede Gemeinde ihre eigene Lösung.
In Brugg wurde ein Weg gewählt, der möglichst rasch zu sichtbaren Resultaten führen soll. 20 Personen, die «Altstadt-Aktiven» oder AltstadtvertreterInnen aus verschiedenen Gruppen (Quartierverein, Initiative Altstadt, Altstadtgenossenschaft, Gastronomie usw.) schildern ihre Anliegen. In dieser kleineren Gruppe wurde das Entwicklungsleitbild von Brugg erarbeitet. Dieses umfasst die Vision und das Zielbild für das Leben und Arbeiten in der Altstadt und zeigt den weiteren Altstadt-Entwicklungsprozess sowie erste Massnahmen zur Umsetzung auf.
Beispielsweise die Ernennung eines runden Tisches, dessen Mitglieder sich regelmässig treffen,ist daraus hervorgegangen.
Link Entwicklungsleitbild Stadt Brugg
Zofingen – Die Umsetzung mit einem breit abgestützten Mitwirkungsprozess
Die Reise führte weiter nach Zofingen zur zweiten Pilotstadt, wo uns Fabian Humbel (Stadtschreiber) in Empfang nimmt. Der Bahnhof liegt in Zofingen direkt neben der Altstadt. Zofingen umfasst knapp 12’000 Einwohner. Das Städtchen ist sehr gepflegt, der Leerstand scheint auch hier nicht das grösste Problem zu sein. Der Stadtschreiber zeigt uns ein paar wenige Gebäude, welche in privatem Besitz sind und nicht saniert werden. Anscheinend sind die Auflagen z.T. so hoch, dass eine Renovation nicht in Betracht gezogen wird. Im Stadthaus erklärt uns Herr Humbel, wie Zofingen den konfektionierten Altstadtprozess anwendet.
Anders als Brugg steckt Zofingen noch in der Vorbereitung der Auslösung des Prozesses. In den Legislaturzielen des Stadtrates ist die Altstadtplanung bereits gesetzt. Die Zofinger haben den konfektionierten Prozess an die eigenen Bedürfnisse adaptiert und setzen ihn als partizipativen Prozess um. Für den Prozess werden je nach Phase unterschiedliche externe Moderatoren beigezogen. Der konfektionierte Prozess wird ebenfalls als rollender Prozess angewendet. Gremien von unterschiedlicher Grösse und Zusammensetzung treffen sich regelmässig und gewährleisten die Etablierung des rollenden Prozesses und eine transparente Kommunikation.
Folgende Beteiligte sind in Zofingen für den konfektionierten Prozess vorgesehen:
- Projektleitung: Stadtammann und Stadtschreiber
- Projektteam: Arbeitsgruppen
- Spurgruppen: Vertretung aus Interessengruppen
- Arbeitsgruppen: von der Projektgruppe zusammengesetzte Gruppen, Co-Leitung durch je 1 Mitglied des Stadtrats oder des Bereichsleiters.
- Externe Moderation: Reine Beratung (keine Fachleute!)
Die Beteiligten werden wie folgt in den Projektablauf in Zofingen eingebunden:
Kickoff > 1. Stizung (Spurgruppen) > Anwerben Teilnehmende
2. Stizung (Spurgruppen)
1. Altstadtkonferenz > Gruppeneinteilung + Kickoff mit Arbeitsgruppen
(Ende 2019/Anfang 2020 geplant)
Arbeit in Arbeitsgruppen (inkl. Boxenstopp)
2. Altstadtkonferenz (Besprechen Projektideen aus AG) > Ev. 3. Altstadtkonferenz
Rucksack für Schaffhausen
Im Kanton Aargau sind zwei spannende Beispiele aktiv an der laufenden Altstadtplanung. Die „Altstadtkümmerer“ sind jeweils in der Stadtverwaltung verankert, kommen in beiden Beispielen aber aus unterschiedlichen Abteilungen und sind sehr offen für einen Austausch über die Kantonsgrenze hinaus. Die konsequente strukturell verankerte Umsetzung der rollenden Altstadtplanung beeindruckt uns SchaffhauserInnen in beiden Städten. Das Bekenntnis zur Altstadt und zur Bereitstellung der Ressourcen bringt Schwung in die stehen gebliebenen Planungen. Die Stadtexekutive und Politiker sitzen gemeinsam mit VertreterInnen vom lokalen Gewerbe, Vereinen und weiteren Interessierten an einem Tisch und sorgen aktiv dafür, dass es vorwärts geht.
Für Schaffhausen nehmen wir mit, dass für eine zielführende, nachhaltige Planung der regelmässige Austausch zwischen den verschiedenen Gremien zentral ist. Die Akteure sollen in Gefässen unterschiedlicher Grösse vertreten sein. Der Leed, als Verknüpfung zur Stadtverwaltung ist für die spätere Umsetzung der Massnahmen unabdingbar. Ein wichtiger Grundstein – noch vor der eigentlichen Altstadtplanung – ist die Konstituierung konstruktiv funktionierender Gremien. Dieserentscheidende Schritt gilt es in Schaffhausen nächstens zu leisten. Einige der bereits bestehenden Gremien verharren oftmals auf ideologisch und verhärtet begründeten Positionen. Alle Beteiligten eines konfektionierten Altstadtprozesses sollen nicht die Differenzen, sondern das gemeinsame Ziel, welches im gegenseitigen Austausch definiert wird, im Fokus haben. Ein so möglicher Steigbügel müsste unter der Obhut eines mit der Stadt gut vernetzten „Kümmerers“ vorgeschlagen und innerhalb eines genügend grossen Zeitfensters kompetent eingerichtet und begleitet werden. Kleinere Massnahmen wie bspw. in Brugg die Schmückung der Altstadt durch Blumen vor den Hauseingängen, werden sofort sichtbar. Die gesamthafte Wirksamkeit von solch eingeleiteten Massnahmen werden im Erscheinungsbild der Stadt Schaffhausen aber erst längerfristig erkenn- und beurteilbar werden.
Dazu braucht es Mut, Vertrauen und Zuversicht. Angesichts der dringenden Notwendigkeit einer Weichenstellung in der Planung unserer Altstadtentwicklung ist zu hoffen, dass diese Weitsicht gefunden werden kann.