Baukultur auch im Kleinen ermöglichen, dieses zentrale Anliegen des Schaffhauser Architektur Forums SCHARF hat Architektin Tina Wilck beim Umbau des Kino Schwanen in Stein am Rhein verfolgt. Wie, das erläuterte sie den Mitgliedern auf einem Rundgang.
Ganz so viele Besucherinnen und Besucher nahmen die Reise nach Stein am Rhein nicht auf sich. Den Angereisten hingegen stellte Tina Wilck ein kleines, feines Kino vor. Das Kino Schwanen war wohl den wenigsten aus Schaffhausen Angereisten bekannt; in Stein am Rhein ist es, mit Unterbrüchen, seit Jahrzehnten ein unverzichtbarer Teil des kulturellen Lebens.
Der Kinosaal mit 70 Sitzplätzen befindet sich im Erdgeschoss des Hotel Schwanen, das Kino selber besteht seit 1927. 1980 musste es geschlossen werden, der Betrieb war nicht mehr rentabel. 15 Jahre später hauchte ein Team von Freiwilligen dem Kino wieder Leben ein, nahm die Filmvorführungen mit den alten Apparaturen und alter Technik wieder auf, bis die Digitalisierung 2012 dem ein Ende bereitete.
Damit war Zeit für einen Neubeginn, berichtete Wilck. Vor dem Umbau wurde ein neuer Verein Schwanen als Trägerschaft gegründet, ihm gehören 15 Mitglieder an. Wilck, mit den Umbauarbeiten beauftragt, trat während der Planungsphase ebenfalls in den Verein ein.
Im Vorfeld des Umbaus gab es etliche Hürden zu nehmen. Etwa die Wasserschäden aus dem Obergeschoss, das während des Umbaus ebenfalls umstrukturiert wurde. Das ehemals als Hotel geführte Haus diente während mehrerer Jahre als Unterkunft für Asylbewerber, bis es der Besitzer wieder seinem ursprünglichen Zweck zuführte. Zu klären waren deshalb auch die finanziellen Zuständigkeiten zwischen der Jakob und Emma Windler-Stiftung als Geldgeberin und dem Eigentümer.
Sie habe immer die Vision gehabt, ein klassisches Kino und Theater zu schaffen, erklärte Wilck, unverzichtbar für sie deshalb die roten Sessel, die neu eingebaut wurden. Zudem sollte der Charme des Alten erhalten bleiben. So blieb beispielsweise die alte Wandverkleidung bestehen, bekam aber einen neuen Anstrich. Als Herausforderung stellte sich die Terrassierung des Zuschauerraums heraus. Alle Plätze sollen gleich gute Sichtverhältnisse haben. Erneuert wurde die Decke im Kinosaal; sie unterstützt die Akustik und gleichzeitig wurden darin digitale Lichtquellen eingebaut. Es bedurfte einiger Abklärungen von Bauamt und Denkmalpflege, bis das Belüftungskonzept bewilligt wurde. Man habe lange auf die Bewilligung gewartet. Das habe sich aber gelohnt, denn mittlerweile rieche es im Kino nicht mehr muffig wie früher.
Neu im Schwanen ist die gesamte Technik. „Theater und Kino haben andere Ansprüche an die Technik», so Wilck. Die Theatertechnik wurde vorn auf der Bühne eingebaut. Am alten Platz hinter dem Kinosaal befindet sich das Herzstück der Kinotechnik, der Vorführraum. Die moderne, kompakte und 3D kompatible Anlage ersetzt den alten digitalen Projektor, welcher schon 2012 den analogen Vorführapparat ablöste.
Grundsätzlich änderte sich nichts an der Raumaufteilung. Das Foyer konnte um einen nicht mehr notwendigen Notausgang leicht erweitert werden. Das erlaubte es, eine komfortable Bar einzubauen, deren Decke den Goldton der Kassetten im Kinoraum wieder aufnimmt. Dadurch, dass im hinteren oberen Teil des Kinoraums ein neuer Bodenbelag eingezogen wurde, entstand ein zweiter zum Foyer hin offener Raum zum Verweilen während der Pausen. Dessen Barhocker können als zusätzliche Kinoplätze angeboten werden. Im angrenzenden Eingangsbereich wurden die WC-Anlagen saniert. Sie sind nun nur noch für die Kinobesucher zugänglich, ein grosser Zuwachs an Komfort für das Kino-Team, das sich auch über die eigene Bar freut, die unabhängig vom Hotelbetrieb in den oberen Stockwerken geführt werden kann.
Wie SCHARF-Präsident Christian Wäckerlin einführend sagte, studierte Tina Wilck in Kaiserslautern Architektur. Danach arbeitete sie in verschiedenen Architekturbüros auch in Schaffhausen. Seit 2013 ist sie selbständige Architektin in Wagenhausen, wo sie auch mit ihrer Familie lebt. Sie ist begeistertes Mitglied des Schwanenteams und kann als Architektin „eins zu eins miterleben, wie sich das Kino im Alltag bewährt“.
Architektur der Unendlichkeit
Christoph Schaubs Film steht in Dialog zwischen Natur und Architektur und wirft philosophische Fragen auf.
Es war Tina Wilcks Wunsch, den angereisten Scharf-Mitgliedern, im von ihr umgebauten und sanierten Kino Schwanen Christoph Schaubs „Architektur der Unendlichkeit“ zu zeigen. Ein Dokumentarfilm, der sich in langen Sequenzen mit dem umbauten und dem freien Raum befasst, der die Architektur in Bezug zur Natur stellt, der die Anziehung und Beziehung zwischen Kirche und Kultur erkundet und der auch philosophische Fragen aufwirft.
Schaub lässt darin verschiedene Architekturgrössen und Künstler zu Wort kommen, die ihre Arbeiten erläutern, ihre Vorgehensweise schildern, wie sie sich inspirieren lassen. Peter Zumthor führt zwischen rauschenden Ähren hin zur Bruder Klaus-Feldkapelle in der Eifel, wo er auf engstem Raum eine in sich geschlossene spirituelle Welt schafft, die den Blick in den Himmel und die Unendlichkeit frei lässt. Von der christlichen Lehre sei er nicht berührt, sagt Zumthor, wohl aber vom Kirchenraum.
Wie die Kirchen am Atlantik, u.a. in Saintonge, ihn beeindruckten und sein Schaffen beeinflussten, erzählt Peter Märki. Ihn beeindruckte deren Entstehungsgeschichte, aber auch die Eingriffe, die sie im Lauf der Zeit erfuhren, „ein alter Vorgang, der kein Ende kennt“, wie er es beschrieb. Er fand darin seine Grammatik der Architektur, die er im Museo La Congiunta in Giornico realisierte. Das Sakrale dieses Baus im einsamen Tal wird vertieft durch die Musik des Schlagzeuger Jojo Mayer, die die hohen Räume des Museums erklingen lässt.
Mitten in einem Wohnviertel, mitten im Leben, steht die in geometrischer Strenge gestaltete Kirche Santa Maria von Alvaro Siza Viera in Nordportugal. Die Kamera erfasst die Tiefe des leeren Raums und macht die Begrenzung und die Unendlichkeit des Raums spürbar.
Immer wieder greift Schaub auch auf alte Kirchen zurück, führt in die Opulenz des Barock. Dann lässt er den Besucher die Schlichtheit gotischer Kirchen erfahren, deren himmelwärts strebende Architektur die Unendlichkeit in der Endlichkeit ebenso symbolisiert wie es Zumthors Feldkapelle vermag.