Nach einer langen Vorgeschichte ist das neue Breitschulhaus bezugsbereit. Architekt Dario Oechsli zeigt auf, wie er aus den Vorgaben des Wettbewerbs sein ebenso funktionelles wie originelles Schulhaus entwickelte – und dabei die Schülerinnen und Schüler nie aus den Augen verlor. Interview: Caspar Heer
Sie sind in Schaffhausen zur Schule gegangen. Sind Erinnerungen an diese Zeit in Ihr Projekt für das Breitschulhaus eingeflossen?
Jedenfalls nicht eins zu eins. Aber natürlich erinnere ich mich an die Schulhäuser, wo ich meinen Unterricht durchlief. Prägend war für mich die Zeit in der Kantonsschule, wo ich mich für den Förderer-Bau begeisterte: Ich wollte nämlich schon damals Architekt werden. Eher bedrohlich-düster fand ich dagegen das Schulhaus auf dem Emmersberg, wo ich meine ersten Primarschuljahre verbrachte. Indirekt ist das lichtdurchflutete Breite-Schulhaus vielleicht auch eine Antwort darauf.
Sie gehören der Geschäftsleitung des Büros Stutz Bolt Partner Architekten (Winterthur) an. Wie entsteht in einer solchen Architekten-Gemeinschaft ein Schulhausprojekt? In Teamarbeit oder eher im Alleingang?
Bei uns ist jeweils ein Partner für einen Wettbewerb zuständig und bearbeitet ihn in einem kleinen Team. Wir diskutieren aber jeweils Lösungsansätze und Varianten mit allen Partnern zusammen. Die Entscheidungen werden dann aber selbstständig getroffen.
Mein erster Schulhausbau war ein Projekt in Lenzburg. Inzwischen bin ich in unserem Team der Spezialist für Schulbauten. So wurden der Wettbewerb und die Projektierung des Breiteschulhauses eng von mir begleitet. Aber wir versuchen, uns nicht allzu stark zu spezialisieren und haben keine fest zugeteilten Fachgebiete.
Die Anforderungen beim Projektwettbewerb für das Breiteschulhaus gehen ziemlich ins Detail. Hemmt das nicht die Kreativität des Architekten?
Bei solchen Wettbewerben ist der Detaillierungsgrad meist hoch. Das kommt uns entgegen. Ich würde sogar sagen: Je genauer die Vorgaben für das Raumprogramm oder die Funktionsabläufe, desto besser. Denn wir bauen ja für einen klaren Zweck und nicht für unsere Selbstverwirklichung. Raum für Kreativität besteht trotzdem, das zeigt sich deutlich an den eingegangenen Projekten: Die einzelnen Architekturbüros haben die Aufgabe doch völlig unterschiedlich angepackt. Das Schlimmste sind aus meiner Sicht Wettbewerbe mit diffusen Zielen. Da wird den Auftraggebern oft erst im Nachhinein richtig klar, was sie wollen. Und als Architekt kann man sich gehörig verrennen.
Im Wettbewerb wurde die Gestaltung der Aussenräume auffallend hoch gewichtet. Womit haben Sie hier die Jury überzeugt?
Wir haben versucht, den Baukörper optimal in die bestehende Umgebung einzugliedern. Es ging also zunächst darum, städtebauliche Proportionen festzulegen und Funktionen richtig zuzuordnen. Das Resultat war ein kompakter Baukörper und drei Aussenräume, welche der gesamten Schulanlage – wie im Wettbewerb gefordert – zu einer klaren Gliederung verhelfen. In einem weiteren Schritt haben wir dann den Landschaftsarchitekten Michael Brogle für die detaillierte Ausgestaltung der Freiräume ins Boot geholt.
Der Projektwettbewerb wurde 2011 ausgeschrieben. In den seither vergangenen acht Jahren wurden manche Vorgaben verändert. Wie sind Sie damit umgegangen?
Das muss man für die Qualität des Projekts als Chance sehen. An einer Eingabe im Rahmen eines Architekturwettbewerbs arbeiten wir gewöhnlich zwei bis drei Monate. Da ist also noch nichts in Stein gemeisselt. Bis zum Baustart müssen wir nochmals ein bis zwei Jahre Planungsarbeit investieren. Wenn die Zusammenarbeit mit den Auftraggebern gut klappt, resultiert ein besseres Projekt. In Schaffhausen war der Kontakt mit den Vertretern der Schule in der Projektierungsphase sehr konstruktiv und das Projekt konnte deutlich besser auf die Bedürfnisse des Schulbetriebs abgestimmt werden.
Im Volksmund hat Ihr Bau bereits den Übernamen «Toblerone-Schulhaus». Was hat Sie bewogen, Ihrem Gebäude eine gezackte Krone aufzusetzen?
Ich verfolgte damit drei Ziele: Erstens wollte ich eine ausgesprochene Tageslicht-Schule bauen, und mit dem Shed-Dach lässt sich viel natürliches Licht in die Gebäudemitte bringen und es ermöglicht grössere Raumtiefen. Zweitens fügt sich die gewählte Form gut in die von Schrägdächern dominierte Dachlandschaft der Umgebung ein. Und drittens finde ich unsere Lösung auch deutlich spannender als beispielsweise ein simples Flachdach mit Oberlichtern.
Die Raumbedürfnisse einer modernen Schule verändern sich laufend. Das Schulhaus sieht aber auf den ersten Blick ziemlich unveränderbar gebaut aus.
Der Eindruck täuscht: Nur die vier Längswände sind tragend, die Zwischenwände dagegen können entfernt, verschoben oder durchbrochen werden. Aber auch ohne solche Veränderungen sind die Verhältnisse sehr flexibel: Die Gruppenräume sind vom Gang oder von den Schulzimmern her zugänglich, zudem können jeweils zwei von ihnen zu einem Kleinklassenraum vereinigt werden.
Die Wunschliste in Sachen Räume und Nutzung war lang. Wie haben Sie das alles unter ein Dach gebracht?
Die Raumnutzung ist bei Schulhäusern zentral. Deshalb halten wir uns sehr genau an die Vorgaben. Ausgehend von der Totalfläche haben wir das Raumprogramm auf die Stockwerke verteilt: Die Unterrichtsräume sind im Obergeschoss konzentriert, wo sie optimal mit Tageslicht ausgeleuchtet werden. Alle übrigen Räume, wo sich Lehrer, Schüler oder Gäste weniger lang aufhalten, befinden sich im Parterre beziehungsweise im Souterrain. Die Lehrerzimmer sollten ja auch von den anderen Schulgebäuden rasch erreichbar sein und liegen daher dem Haupteingang am nächsten. Und die Aula konnten wir dank dem leicht abfallenden Gelände mit einer grösseren Raumhöhe konzipieren, was auch den Lichteinfall verbessert.
Die Klassenzimmer sollen Workshop-Atmosphäre verbreiten, so die Vorgabe des Projektwettbewerbs. Aber sie haben wie früher vier Ecken und wirken recht klassisch….
Unser erster Vorschlag sah noch anders aus: Die Gruppen-Lernbereiche waren in vergrösserte Klassenzimmer integriert und hatten Durchblicke in den Korridor. Doch bei den Lehrern ist heute die mangelnde Konzentrationsfähigkeit der Schüler ein grosses Thema. Sie fürchteten, die Schüler könnten sich durch eine solche Anordnung gegenseitig stören. Deshalb hat man sich dann doch für klassische Schulzimmer und abgetrennte Gruppenräume entschieden. Mit ihrer Überbreite eignen sie sich immerhin für ganz verschiedene Sitzanordnungen.
Zu guter Letzt: Ein Schulhaus ist in erster Linie ein Haus für Schüler. Bloss werden sie nie um ihre Meinung gefragt. Wie gehen Sie mit dieser paradoxen Situation um?
Das ist tatsächlich schwierig. Würde man die Schüler direkt fragen, ergäbe dies wohl ein kunterbuntes Gebäude mit viel Holz. Wir versuchen eher, die Bedürfnisse der Kinder indirekt zu erfassen und beispielsweise auf ihre Neugierde oder ihre Gruppendynamik zu reagieren. So haben wir spannungsreiche Durchblicke und spielerische Gebäudeelemente gestaltet: Man blickt vom Schulzimmer direkt zu den Vögeln im Himmel oder vom Korridor durch unsere «Glasbank» ins Erdgeschoss. Ausserdem dimensionierten wir innen wie aussen die Aufenthaltsbereiche grosszügig, denn Schule ist ja je länger je weniger nur auf die Klassenzimmer beschränkt. Auch die verspielten Fassadenflächen sollen die Kreativität der Kinder ansprechen.