Bericht über Workshop 6 – Tagung zur Innenentwicklung in kleinen und mittleren Gemeinden der Professur für Raumentwicklung ETHZ – 23. Juni 2017. Carole Signer war dabei.
An der zweiten Tagung zum Thema Innenentwicklung standen die kleineren und mittleren Gemeinden und deren Herausforderungen nach der Revision des Raumplanungsgesetztes im Fokus. Das Teilnehmerfeld setzte sich aus Gemeindevertretern, Kantonsplanern und Fachplanern aus der ganzen Schweiz zusammen.
Kleine und mittlere Gemeinden sind in den nächsten Jahren besonders gefordert. Trotz knappen finanziellen und personellen Ressourcen tragen sie die Verantwortung für die Entwicklung der grössten Siedlungsflächenreserven der Schweiz. Gesamtschweizerisch verfügen wir gemäss Berechnungen der ETHZ über eine theoretische Kapazität von über 2 Mio. zusätzlichen Einwohnern. Über 90% der Gemeinden haben heute weniger als 10`000 Einwohner. Etwas mehr als die Hälfte der Schweizer Bevölkerung wohnt in diesen Gemeinden, in welchen rund drei Viertel der unbebauten Bauzonenreserven liegen.
Mehrere Inputreferate setzten sich mit der Thematik der Innenentwicklung auseinander. Präsentiert wurden konstruktive Beispiele von Gemeinden, die sich geschickt ihren Weg in die Zukunft geebnet haben. Die Schlüsselwörter des Tages waren „Strategie“ und „Kommunikation“. Jede Gemeinde – unabhängig von ihrer Grösse – braucht eine klare Strategie, ein Ziel, wohin sie sich entwickeln möchte. Nur so ist sie gewappnet gegen Investoren mit deplatzierten Ideen und schützt sich vor einer von aussen aufgedrängten Entwicklung. Professionalität bei der Planung und Fachkompetenz der Gemeindevertreter bei der Entwicklung einer Strategie sind zentral. Die Frage „wohin wollen wir mit unserer Gemeinde?“ soll nicht nur im stillen Kämmerlein gestellt werden. Die offene Kommunikation und Interaktion mit der Bevölkerung bereichern die konstruktive Auseinandersetzung mit dieser Thematik. Den Gemeindevertretern wird mit auf den Weg gegeben, dass sie die Kritik suchen sollen. Die Komplexität soll nicht verdrängt, sondern veranschaulicht werden. Oftmals muss die Gemeinde nicht zwingend selbst entwickeln, die wichtigste Rolle besteht darin, Entwicklung zielgerichtet zuzulassen. Dazu sind bereits ausreichende Planungsinstrumente vorhanden, das Problem liegt gemäss Tagungsteilnehmern in deren Praxistauglichkeit. Strenge Richtlinien des Kantons helfen dabei, die Strategie gezielt und konsequent durchzusetzen.
Der Nachmittag war für sechs verschiedene Workshops reserviert. In einer Gesprächsrunde wurde beispielsweise die Thematik des gemeinnützigen Wohnungsbaus ausserhalb der grossen Städte thematisiert. Ein Blick auf die Schweizer Karte zeigt die Konzentration des gemeinnützigen Wohnungsbaus überwiegend auf die grossen Städte, insbesondere Zürich. Welche Möglichkeiten zur Förderung einer weiteren Verbreitung bestehen? Im Workshop wurde gezeigt, dass kreative Lösungen gefragt sind. Insbesondere in kleinen Städten – oder allgemein in Orten ohne aktive Genossenschaftskultur – sind ortstypische massgeschneiderte Konstellationen erwünscht. Beispielsweise in Steckborn ist der Gemeinderat für eine pragmatische und rasche Umsetzung einer genossenschaftlichen Überbauung soweit gegangen, dass kurzerhand die sieben Gemeinderäte eine Genossenschaft gegründet haben. Dies wurde vom Stimmvolk aber nicht goutiert. Trotz späterer Abgabe der Vorstandsmandate wurde ihnen fehlende Unabhängigkeit vorgeworfen.
In der Stadt Schaffhausen stehen diesbezüglich ebenfalls Herausforderungen an. Die Rheinstadt ist grösser als die kleineren bis mittleren Gemeinden, die an der ETHZ Tagung im Rampenlicht standen, hat aber dennoch diverse Hürden vor sich und braucht eine klare Strategie, um in Zukunft mit einer starken qualitätsvollen Innenentwicklung weiter zu wachsen. Eine gute Grundlage dazu sind qualitätssichernde Prozesse. Der aktuell laufende Studienauftrag für eine Landvergabe im Baurecht an einen gemeinnützigen Wohnbauträger auf dem Wagenareal ist ein Schritt der Stadt Schaffhausen in Richtung Innentwicklung. Die Verwaltung, die Politik und die Bevölkerung beobachten gespannt den Verlauf des Verfahrens und dessen Ausgang. Wie an Weihnachten wartet man ungeduldig auf das Öffnen der Pakete. Hat die Tante dieses Mal ein überraschendes Geschenk oder hat sie wie jedes Jahr eine graue Schachtel mit gleichförmigen Schokoladenwürfeln mit fader Füllung eingepackt?
Carole Signer – Juli 2017
Bericht NZZ 7.8.2017: Mehr als nur mehr Häuser