Text / Bilder / Montage: Christian Wäckerlin
Quelle: Eisenbibliothek Stiftung der Georg Fischer AG, Klostergut Paradies
Montage: Flugaufnahme Schaffhausen 2009 und Flugaufnahme Crystal-Palace 1851
Eine Entdeckung in der Eisenbibliothek Stiftung der Georg Fischer AG im Klostergut Paradies im Rahmen einer Führung mit Bibliothekar Florian Ruhland fasziniert mich seither sehr. Sicher auch darum, weil ich die Art der damals angewandten Veranschaulichung in aktuellen Diskursen im Zusammenhang mit der Beurteilung baulicher Veränderungen oft vermisse.
Die heute üblichen, oft schnell herbeigezogenen Begrifflichkeiten bieten für einen Diskurs leider selten die gewünschte Anschaulichkeit. Meistens sagen sie mehr über die subjektive Meinung des Urteilenden aus als über das thematisierte Objekt. Wir erfahren oft, dass ein Gebäude: zu hoch, zu lang, zu breit, zu teuer, zu luxuriös oder sogar grössenwahnsinnig sei. Meistens bleibt die urteilende Seite in ihrer Behauptung gefangen und einen vergleichenden Bezug schuldig.
Ganz anders in der von J. C. Fischer überlieferte Trouvaille. Sie ist zudem auch der Beweis, dass wenn jemand eine Reise tut, er nach seiner Heimkehr schon damals etwas zu ‚zeigen’ hatte. Und wie!
Tagebuch einer Reise zu der Ausstellung in London und nach einigen Fabrikstädten in England im Sommer 1851: Kurze Aufzeichnung über einen Aufenthalt in England im Sommer 1851. Dort besuchte J. C. Fischer während 12 Tagen die Weltausstellung in London, bei welcher seine in den Werken in Österreich tätigen Söhne ausstellten sowie auch seine eigenen Produkte zu sehen waren. Anschliessend reiste er in die Industriestädte Birmingham, Manchester und Sheffield.
J. C. Fischer war – wie die meisten Besucher auch – überrascht und als Industrieller aber sicher fasziniert von der gigantischen Gebäudegrösse des Hauptpavillons der Weltausstellung. Mit seiner präziesen Veranschaulichung der in dieser Zeit unvorstellbaren Gebäudeproportionen konnte er die Schwierigkeit, in den Schilderungen seiner Erlebnisse als unglaubwürdig abgestempelt zu werden überwinden.
Ich vermute deshalb auch, dass Fischer – als er im Jahr 1851 tief beindruckt Joseph Paxtons Ausstellungsarchitektur in der Länge von 563 m durchschritt – sich an seine Heimatstadt erinnerte, deren Distanzen er von eigenen Stadtspaziergängen her gut abschätzen konnte. Dieser Vergleich war zugleich die Idee zur nachträglichen Veranschaulichung in einer simplen Illustration. Zuhause angekommen, bestellte er sofort den aktuellen Stadtplan von Schaffhausen und legte – auf einem Transparentpapier – den Grundrissplan des Crystal Palace darüber.
So konnte sich jeder, sowohl damals als auch heute – die Stadt Schaffhausen vom Schwabentor zum Rheinufer durchquerend – im stetigen Quervergleich zum referentiellen Grundriss des Crystal Palace, die unheimlichen Abmessungen dieser bedeutungsvollen Stahl-Glas Konstruktion imaginär aneignen.
Heute hätte Fischer bestimmt eine Speicherkarte mit Schnappschüssen auf seinem Smartphone nach Hause gebracht und… wer weiss: vielleicht hätte er via SCHARF diese Montage in Auftrag gegeben?
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