Bauten und Zwischenräume städtebaulichen Gefüge der Altstadt-Ergänzungszone Urbahn.
Wie gefällt Ihnen die neue Überbauung Urbahn hinter dem Bahnhof? SCHARF ermöglichte Antworten bei einer Führung mit anschliessender Podiumsdiskussion.
«Sie spinnen» habe die erste Reaktion gelautet, erinnert sich Thomas Holenstein an den Moment, als er, der Delegierte für Wirtschaftsförderung des Kantons, dem damaligen Schaffhauser Stadtpräsidenten das Projekt «Urbahn» skizziert habe. Aus dem damaligen «frechen Denken» (wie Holenstein zugibt) ist innert fünfzehn Jahren die eben fertig gestellte Grossüberbauung hinter dem Bahnhof geworden, und der Wirtschaftsförderer sieht sich demzufolge als «städtebauliche Hebamme».
Das mit 120 Millionen Franken Bausumme zur Welt gebrachte «Kind», dem der Versicherungskonzern Axa Winterthur als Investor Pate stand, liegt insofern noch in der Wiege, als hier das volle Leben erst Einzug zu halten beginnt. Doch in den äusseren Dimensionen ist es bereits ausgewachsen. Allein dadurch verleiht diese spektakuläre «Schaffhauser Stadterweiterung», gemeinsam mit den Landhaus-, Diana- und Durach-Neubauten, dem Quartier hinter dem Bahnhof ein völlig neues Gesicht. Und so ist die Frage nach dem öffentlichen Raum und der städtebaulichen Qualität von Urbahn nicht nur topaktuell, sondern ebenso mit einem Augenschein wenn auch nicht abschliessend zu beantworten, so doch zu stellen. Genau dies tat das Schaffhauser Architektur-Forum SCHARF mit einer öffentlichen Einladung zu einer Führung mit anschliessendem, hochkarätig besetzten Podiumsgespräch. Rundgang in zwei Gruppen und Diskussion lagen in den Händen der Urbahn-Architekten Thomas Pfister und Hauke Moeller, der Schaffhauser Stadtplaner Jens Andersen und Jules Selter sowie seitens des Architektur-Forums der Architekten Roland Hofer und Andres Bächtold, organisiert und moderiert von SCHARF-Präsident Christian Wäckerlin. Und dieser hatte alle Hände voll zu tun, stellten sich doch an jenem Oktober-Abend über 150 Interessierte und Neugierige ein, um zu sehen und zu hören und nicht zuletzt, um ihrerseits Fragen zu stellen. Der Ansturm sprengte zwar nicht gerade das Areal, wohl aber den Saal des Urbahn-Hotels «arcona», wo längst nicht alle Platz fanden, die dem Podium folgen und beim Apéro dabei sein wollten.
Das «H» in «Urbahn» mag das orthografische Korrekturprogramm des Computers überfordern… es ist aber das klärende Charakteristikum dieser zweifellos «urban» zu nennenden Überbauung: Auf den ersten Blick scheinbar von der gegenüberliegenden Altstadt durch den Bahnhof getrennt, stellen dessen Perrons und Geleise mit der unter ihnen durchführenden grosszügigen Fussgänger- und Laden-Passage jedoch die eigentliche Anbindung der fünf Gebäude dar mit ihren Büros, Wohnungen, dem Hotel und den Restaurants, den erdgeschossigen Geschäften und Lokalitäten für Dienstleistungsanbieter, den riesigen unterirdischen Parkflächen und mit den sich nach allen Seiten öffnenden und (fast) immer Durchblick schaffenden Plätzen und Strassen. Wer es bildlich mag: Der Bahnhof ist die städteplanerische Ader, die ein- und ausfahrenden Züge sind der Puls, der hier sichtbar schlägt.
Eine neue Stadt in der Stadt, öffentlicher Raum auf privatem Grund: Da gibt es Fragen, und sie wurden auch bei diesem Lokaltermin gestellt. Viele bezogen sich auf das hier mögliche und zu ermöglichende Leben: Wer sorgt für Ordnung und Sicherheit? Welcher Stellenwert wird dem Grün – der alte Baumbestand zum Berufsbildungszentrum hin blieb stehen, Neues wurde ergänzend gepflanzt – eingeräumt? Wie kinderfreundlich ist das Wohnen, wie durchmischt die Bewohnerschaft? Welche Läden haben hier eine Chance, und wie stark werden sie die Altstadtgeschäfte konkurrenzieren? Aber auch: Wie gelungen ist aus architektonischer Sicht die Integration einerseits zu den alten Häusern am Hintersteig, andererseits zum Diana-Neubau beziehungsweise zur bestehenden Amag-Garage? Nein, eine Gesamt-Rahmenplanung, einen offizieller Masterplan für das ganze Gebiet hinter dem Bahnhof gab es damals nicht. Die vier Projekte – so auch Urbahn – wurden von den Autoren auf den Grundstücken individuell entwickelt. Städtebaulich aus heutiger Sicht sicher ein Fehler? Vielleicht der Grund, weshalb an diesem Abend (vox populi?) Urbahn öfters mit dem Attribut «Gewöhnungsbedürftig» versehen wurde? Aber: «Städtebau heisst immer auch: Eines nach dem anderen, und Eines muss nicht immer alles beinhalten» (Christian Wäckerlin). Und ebenso (aus der Sicht des Stadtplaners): «Der Funke, der hier gesprungen ist, ist eminent wichtig.
»Entstanden ist jedenfalls ein Quartier aus einzelnen Teilen, das nun ja auch mit dem gigantischen Bauprojekt auf dem Areal der Stahlgiesserei im Mühlental zu einem neuen Stadtteil weiterentwickelt werden soll.
Der temporär bevölkerte Bleicheplatz kurz vor der SCHARF-Rundgängen
Sichtachsen durch die Stadtstruktur.
Direkte Verbindungen aus der Altstadt und vom Bahnhof.
Der optisch offene Blockrand ist städtebaulich wichtig, jedoch öffentlich nicht durchgängig.
Drei Akteure von Urbahn auf dem SCHARF-Podium: v. l. n. r.: die Architekten Hauke Möller und Thomas Pfister, sowie Stadtplaner Jens Andersen
Im August 2009 fanden unter dem Titel: „Das Tor zum Schaffhauser Mühlental: Diana, Durachweg, Bleiche“ zwei SCHARF-Veranstaltungen statt an denen die schwierigen städtebaulichen Verhältnisse hinter dem Bahnhof mit den verschiedenen Akteuren diskutiert wurde. Für SCHARF ist es das erste mal, dass wir eine Stadtveränderung von Anfang an bis zur Vollendung mit Veranstaltungen begleiten konnten.
Interessante Erkenntnisse finden sie unter folgenden Links:
13. /20. August 2009 «Das Tor zum Mühlental»
Bericht der Schaffhauser Nachrichten vom 22.8.09
Bericht zu den Veranstaltungen (Auszug aus scharf-fokus 09 3)
Bericht Hochparterre, “Fenster-Wirrwarr”, 1-2 / 15